MUSEUM FOLKWANG ESSEN

Feier mit Geschmack

Wenn es bei der Ruhrgas AG etwas zu feiern gibt, freut sich auch das Essener Museum. Schon beinahe traditionell ist dann auch im Folkwang wieder große Showtime: Diesmal mit Bildern von Monet bis Picasso.

Die Erdgasgesellschaft mit Sitz in Essen pflegt Geschäftsjubiläen zur Imagewerbung mit trächtigen Namen der Kunstgeschichte zu begehen. Munch und van Gogh vertieften schon die langfristigen Handelsbeziehungen mit Norwegen und Holland zu einer kulturellen Partnerschaft. „Kulturelle Verbindungen können die Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit wirtschaftlicher Beziehungen langfristig stärken“, heißt ein Kernsatz, den Ruhrgas bei Verlautbarungen über ihr Sponsorentum immer wieder fallen läßt. Geschäfte sollen nicht isoliert abgewickelt werden, sondern in ein Geflecht von vielfältigen Kontakten gebettet werden, um die Kommunikation zwischen den Ländern auch gesellschaftlich mit Tragweite ausszustatten. Man beschäftigt sich also mit Kunst nicht um ihrer selbst willen, sondern um nach modernen Marketiggesichtspunkten Partnerschaften zu festigen, bei denen die Chemie stimmen muß, um langfristig das Gas fließen zu lassen.

Seit zwanzig Jahren läuft das Erdgasröhrengeschäft zwischen Ruhrgas und dem heutigen Rußland, und um über das Jubiläum hinaus das Geschäft zu festigen, feiert das Museum Folkwang die russischen Sammlungen von Ivan Morosow und Sergej Schtschukin. Dabei war das Bangen um die Verwirklichung der Ausstellung von Meisterwerken der klassischen Moderne aus dem Moskauer Puschkin-Museum und der Eremitage in St. Petersburg bis Mitte Mai noch groß, in der Kultur läuft die Verständigung wohl nicht so reibungslos wie in der Wirtschaft. Denn seit dem großen sowjetischen Tauwetter der letzten Jahre sieht sich die in Frankreich lebende Tochter Irina Schtschukina darin bestärkt, Ansprüche an den beschlagnahmten Besitz ihres Vaters anzumelden, der im Jahre 1918 enteignet wurde. Anläßlich der Pariser Matisse-Schau diesen Jahres reichte sie am Obersten Gericht Frankreichs Klage ein, forderte die Rehabilitierung ihres Vaters und eine Entschädigung in Höhe von 1% des Marktwertes der Sammlung, sprich 25 Millionen DM. Der russische Staat drohte mit einer totalen Leihgabensperre, der die Ausstellung in Essen fraglos zum Opfer gefallen wäre. Frau Schtschukina zog vor der Verhandlung am 12. Mai die Klage zurück, und zwei große russische Sammlungen werden Ende Juni in Essen zu sehen sein.

Morosow und Schtschukin haben schon vor dem ersten Weltkrieg, also vergleichbar mit den Aktivitäten eines Karl Ernst Osthaus, eine immense Kollektion von Picassos, Monets, Cezannes, Gauguins, Matisses und anderer Zeitgenossen zusammengetragen. Innerhalb von gut zehn Jahren wuchs der Bestand auf über 650 Skulpturen und Gemälde, die sie in ihren Moskauer Stadtpalais auch der Öffentlichkeit zugänglich machten. Zu den sonntäglichen Besuchern (bis zu zehntausend im Monat) zählten Revolutionskünstler wie Tatlin, Malewitsch, Larionow oder Gontscharowa, die sich hier wichtige Anregungen holten. Doch der Tummelpatz der Avantgarde entging trotz der Sympathie für die Revolutionsregierung nicht dem Zugriff des Staates. 1918 war das Datum der Enteignung, Morsow emigrierte nach Deutschland und starb dort 1921, Schtschukin verließ Moskau in Richtung Paris bis auf den Schmuck seiner Frau ohne Habe und starb 1936.

Die damalige Sowjetunion verband beide Sammlungen zu einem Museum für moderne westliche Kunst, teilte später die Werke der Eremitage und dem Puschkin-Museum zu, verschwieg aber seine Urheber bis in die achtziger Jahre. Erst seitdem setzt eine Rehabilitierung dieser wichtigen Förderer vergangener Avantgarden ein. Jedoch hätte der Vorstand von Ruhrgas wohl nicht gedacht, das man ein Geschäftsjubiläum mit dem Beigeschmack eines kulturellen Konflikts begeht, der weiter reicht als nur zu Frau Schtschukina. Im zweiten Weltkrieg ist auch viel Kulturgut über Grenzen geschafft worden, über dessen Besitzverhältnisse wieder verhandelt wird. Das wird eine Feier mit Geschmack.

MB

MOROSOW UND SCHTSCHUKIN – DIE RUSSISCHEN SAMMLER: Museum Folkwang Essen, Goethestr. 41; 26.6. bis 31.10. Katalog: 48.-DM.