MISCHA KUBALL

Von der Utopie zur Autopsie

Mit seinem „Bauhaus-Block“ legt der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball (33) das Synonym für Modernität auf den Seziertisch. Er stellt damit die Frage, welche Teile dieses Organismus der Avantgarde noch intakt oder überhaupt zu retten sind.

Kuball startete seine Projektionen über die berühmte Kunstschule im restaurierten Dessauer Original, dem Bauhaus von Walter Gropius, quasi in der Höhle des Löwen. Dort plazierte er an bestimmten Stellen des Gebäudes seine Interventionen, im wesentlichen Licht- und Lichtbildprojektionen, deren Anverwandlungen – zum Teil mit Mobiliar aus Kantine oder Schulungsräumen – derzeit für die Ausstellungsräume des Museum Folkwang arrangiert sind. „Repeat!“ oder „Vorkurs“ spielt zum Beispiel konterkarierend auf die Pädagogik an, die am Bauhaus von besonderer Bedeutung war. Diaprojektoren werfen von Schülersitzen drei- oder vierfach Bildmagazine von den Ausgeburten der Lehre ans Pult zurück, überladene Collagen aus Design und sozialem Wohnungsbau. Das Ideal wird gegen die Realität ausgespielt und schneidet naturgemäß schlechter ab. Nach ähnlichem Prinzip liefern weitere Projektoren Material, das an den Reißbrettern der Schule entworfen sein konnte, oder zumindest ihren Ideen verwandt erscheint. In Bauhausnamen ist viel Ernüchterndes entstanden, was Künstler wie Kandinsky oder Klee schon damals ahnten. Mischa Kuball relativiert diese Errungenschaften mit wenig Ehrfurcht und feiert im Grunde nur das gebündelte, immaterielle Licht als tragende Idee dieser Avantgarde. Sein „Projektionsraum 1:1:1“, in dem nur die pure Geometrie in Lichtkegeln strahlt, ist die einzige Reminiszenz, die unangetastet bleibt. Ansonsten unterwirft er das Bauhaus und seine Utopien einer Revision nach gegenwärtigen Gesichtspunkten.

Was also ist im Namen, unter Berufung auf und im Fahrwasser dieses universellen künstlerischen Stils entwickelt worden, und was bleibt bei Licht besehen von einem Ideal nach Jahrzehnten der Wirkungsgeschichte noch übrig? Puristen werden meinen, nicht viel, denken dann wohl an die optimale Nüchternheit der eigenen vier Wände und wenden sich entsetzt von dessen Potenzierung in Gestalt der Berliner Gropiusstadt oder anderer Sterilitäten im Städtebau ab. Dahinter steckt jedoch die gleiche Idee von schnörkelloser Funktionalität und sicher war der damit zusammenhängende Wille zur Normierung und Simplifizierung der Form auch in letzter Instanz maßgeblich für die Entstehung der Bau- und Heimwerkermärkte – jeder Stadt sein Bauhaus.

Kuball konterkariert mit seinen Diaprojektionen die Nüchternheit der jeweiligen Kabinette, die in irgendeiner Form Typisierungen eines ursprünglichen Konzeptes der Schule darstellen (Vorkurs, Klub, Apartment, die Treppe etc.). Es sind Konfrontationen aus der Gegenwart (einer Allerweltsküche, dem sozialen Wohnungsbau usw.), die die Anwendbarkeit des Bauhausstils im Alltag oft als Absurdität erscheinen lassen. Denn die Rigorosität und Konsequenz der Schule war als Entwurf und künstlerisches Modell wohl überzeugend, doch kaum als Massenartikel. Diesen Prozeß der Verselbständigung einer Avantgarde, dem das real existierende Bauhaus in Dessau als tragischer Anachronismus gegenübersteht, verdeutlicht der „Bauhaus-Block“. Denn über Jahrzehnte trug und verbreitete sich der Gedanke ortlos, virtuell und medial. Die Idee hat sich von seinem Gebäude gelöst und es sogar überflüssig gemacht. Kuball liefert mit seinem Projekt dem alten Gebäude samt seinen Nutzern zwar eine Wirkungsgeschichte aber keine neue Bedeutung.

Das Bauhaus lebt mit utopischem Impetus in den Fortentwicklungen der Lichtskulptur durch Künstler wie Mischa Kuball weiter, die ihre Arbeit kaum wirkungsvoller und materialschonender einsetzen können als durch schnelle Projektionen auf die Wand. Andererseits sind Möbelmitnahme-, Bau- und Heimwerkermärkte auch kaum etwas anders als populistische Derivate der gleichen Idee. Und für beide Sektoren steht in Dessau ein historisches Museum. Kuballs „Bauhaus-Block“ hinterläßt einen sorgfältig sezierten Leichnam, dessen Einzelteile als Nutzobjekte gut Verwendung finden, aber als komplexer Organismus abgestorben ist.

MB

MISCHA KUBALL – Bauhaus-Block; Museum Folkwang Essen, Goethestr. 41; bis 16.5. 1993 Katalog: 38.-DM