Julian Schnabel

Schlecht, aber gut

Wenn der Name Julian Schnabel fällt, hat jeder Kunstinteressierte eine abfällige Bemerkung parat, verzieht das Gesicht oder mach eilig drei Kreuzzeichen. Keiner mag ihn, aber trotzdem ist der New Yorker Maler der Star der jüngeren Generation. Seine Bilder sind bei Preisen bis zu 100.000 Dollar oberste Kategorie und die Formate bei mittlerweile hauswandgroßen LKW-Planen angekommen. Als Schnabel Ende der siebziger Jahre zur Blitzkarriere ansetzte, die ihn schnell zum Millionär machte, konnte er noch nicht ahnen, daß der 36jährige jetzt in der Düsseldorfer Kunsthalle eine Ausstellung hat und daß ich tatsächlich einige Bilder von ihm schätzen würde.
Von Martin Bochynek

Seine Materialschlachten aus Porzellan und Öl auf Holz sind es nicht, die ein Vorurteil revidieren. Was ich bislang als Reproduktion (oder aus einer Gruppenausstellung) kannte, wird als fülliges Original nicht besser. Dieses aufgeblasene Materialpatchwork, zum Teil mit Hirschgeweihen angereichert, löst weder Assoziationen zu Jackson Pollock aus, noch lassen sie den Vergleich zu prähistorischen Ausgrabungsorten zu. Es sind einfach gigantische, schlechte Bilder, die nichts darstellen als Leere im Format 274 x 579, 244 x 244, oder 284 x589 cm. Aller Aufwand, das Geschirr sorgsam flächendeckend zu verteilen und mit spontaner bis schlampiger Maltechnik zu versehen, verkommt zur sprachlosen Geste. Hier bleibt Schnabel als Künstler in den artverwandten Berufen des Aufklebers (Collage) und Anstreichers (Design) stecken, ohne daß Werke entstanden wären von deren Notwendigkeit man überzeugt sein könnte. Titel wie „Der Gang nach Hause“ oder „Der Schlamm in Mudanza“ mögen dem einen oder anderen Rätsel mit auf den Weg geben, aber das schafft schließlich auch jede schlechte Fernsehsendung.
Doch nichts gegen schlechte Malerei. Manche Bilder in der Kunsthalle sind gerade wegen ihrer rotzigen Technik überzeugende Kunst. Schnabel, der auch vorgibt Picassos Werk weiterzuführen (er wird sich auf das Spätwerk berufen), kommt da zu guten Bildern, wo er sich nicht auf seine Materialobsession verlässt. In Serien hat er Themen wie „Maria Callas“ oder „Die mutierenden Könige“ rein malerisch bearbeitet. Mit relativ sparsamer Geste aber bewährter Vermessenheit im Blow-Up-Format geht er ohne einen Anflug von Bescheidenheit mit großen Themen um, jongliert mit Gott, Callas und der Welt in einer respektlosen Lässigkeit, daß einem der Palast abendländischer Kultur wie ein Armenhaus vorkommt. Mit ‚billiger’, ‚schlechter’ Malerei denunziert Schnabel Beschauliches und Großes. Es gerät unter seinen wurstigen Malerhänden durch schnoddrige Kleckse und schnelle Striche zu einem belanglosen Etwas. Er rückt alles für sich zurecht, daß heißt, er macht es sich gefügig und reduziert ehrfurchtheischende Größe auf ein fixes Bild, das gleich auf den ersten Blick eine notwendige Präsenz hat, gerade weil es schlecht gemalt ist.
Schnabel stilistisch festzulegen ist geradezu unmöglich. Er wildert in technischer Hinsicht. Eine persönliche Handschrift im Sinne von Wiedererkennbarkeit und Markenzeichen gibt es bei ihm nicht. Deshalb muß er sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, daß er ein Eklektiker sei und keinen eigenständigen Ausdruck seiner Arbeit findet. Ebenso versteigen sich Interpreten im Namedropping philosophischer Diskurse, um dieser wuchernden Malerei beizukommen. Dabei schwingt immer noch die Vorstellung von Selbstverwirklichung in der Arbeit als Künstler mit, eine Idee, die völlig absurd und selbstzerstörerisch ist. Man könnte als Künstler nichts verkaufen, nicht von seiner Arbeit leben, weil idealiter jede Veräußerung ein Verlust eines Stückes Selbstverwirklichung wäre.
Man könnte nur die schlechten Sachen verkaufen. Schnabels Selbstverständnis ist da völlig unromantisch: „Kunst hat für mich nichts mit Selbst-Ausdruck zu tun. Sich die Seele aus dem Leib zu malen, hat bisher weder zu einer interessanten Idee noch zu einem interessanten Bild geführt..“ Er begreift seine Kunst als anti-heroisch. Da scheint es nur folgerichtig mit billigen Mitteln unsere alten Helden vom Sockel zu malen. So manches Bild muß dabei misslingen, weil er entweder meint doch einmal etwas ‚schöner’ malen zu müssen odeer sich dabei ertappt, doch irgendjemand Achtung entgegenzubringen und das auch noch zeigen möchte. Da ist er manchmal so wunderbar schlecht („Die Kartoffel“ von 1981 z.B.), daß man froh ist, sich diese Bilder nicht leisten zu können.